Neulich, ich und mein Polster.

 
 
 

Wunderbar... ein regnerisches Wochenende mit Alexander dem Lebenskünstler und als Draufgabe der Film Nur Fliegen ist schöner. Philippe Noiret im Bett mit seiner Konstruktion aus Seilzügen, wie er sich ganz genüsslich eine Scheibe Salami runterschneidet , ein Glas Rotwein einschenkt und beschließt sein Bett nicht mehr zu verlassen.

 

Jung sieht er noch aus, aber meine Erinnerung daran, als ich den Film zum ersten Mal im Fernsehen (gab es damals noch) gesehen habe, ist sofort wieder da. Und dann noch der Midlife-Crisler mit seinem Kanu, der nicht wirklich weit kommt und doch so weit ... ohne zu wollen. Also nichts wie raus und ... richtig: Schlafeffizienz messen, im Schlaflabor.

Was hat dein Schlaf denn geleistet in der Zeit wo du im Bett gewesen bist? War er auch brav und artig und hat die ganze Nacht gearbeitet oder ist er ein unzuverlässiger Typ, der nur arbeitet, wenn er gerade Lust drauf hat und dich nicht so ganz Ernst nimmt? Du fühlst dich im Stich gelassen, unterstützt ihn wo es nur geht und dann das? Dürfte ein ziemlich unangenehmer und unberechenbarer Zeitgenosse sein, dein Schlaf.

Wie sieht er denn eigentlich aus? Ist es so einer mit weißem Rauschebart und gutmütigen Augen oder schaut er recht grimmig drein oder wie einer den deine Mutter gleich erkennt als einen, der nichts taugt - ein Nullbocker, ein Nullchecker, ein Tunichtgut? Oder sollte es vielleicht doch die Schlaf heißen und sie hat lange Rastalocken und trägt tranceartig wiederholt beschwichtigende Formeln vor.

Nie gefragt? Dann wird’s aber Zeit.

 

ich. Wir verschlafen ein Drittel unserer Zeit. Das ist eine ganze Menge, wenn ich daran denke, was wir in dieser Zeit so alles machen könnten. Weltfrieden wäre eine solche Sache oder endlich nicht schon nach der ersten Netflix-Staffel aufhören müssen, das wäre doch was. Oder wenn der Schlaf schon sein muss, wie wäre es als Kompromiss mit etwas weniger als acht Stunden oder zumindest bitte etwas effektiver und kompakter und vielleicht auch nicht unbedingt immer um die gleiche Zeit? Ist ja wirklich etwas übertrieben. Und so wichtig nehmen muss er sich ja dann auch wieder nicht, er, der Schlaf.

Was tut er denn eigentlich die ganze Zeit? Hat die Augen zu und dann macht er sie wieder auf. Dazwischen rollt er immer wieder mal mit den Augen und nennt das wichtigtuerisch rapid eye movement. Dreht sich nach links, gelegentlich nach rechts oder er macht komische Geräusche. Sieht ja nicht gerade spannend aus. Und dafür soll ich am Abend auf meinen Kaffee oder Tee verzichten, vor Mitternacht ins Bett gehen und irgendwelche Regeln einhalten, die dem Typen seine Arbeit erleichtern sollen? Ziemlich unverschämt, denke ich mir. Was bekomme ich denn dafür?

 

er. In aller Bescheidenheit, aber ich bin ziemlich gut in meinem Job. Ich mach dich stark, gescheit, leistungsfähig, gut gelaunt, halte dich gesund, stärke dein Immunsystem und mache dich voller Tatendrang. Du wirst die Welt umarmen (und sie dich) und das zu jeder Zeit und auf ewig. Noch Fragen?

 

ich. Danke lieber Schlaf, das hätte ich jetzt beinahe vergessen. Du bist wirklich sehr bescheiden, aber wie machst du das nur? Ich hab dir im Schlaflabor schon oft zugesehen. Du hast es mir erlaubt, wenn du dich daran erinnerst, und da ist mir aufgefallen, dass du dich in den ersten Stunden ziemlich fallen lässt und den Eindruck erweckst, also ob dir alles egal wäre und dann fängst du an wieder aktiv zu werden und ich sehe mehr von diesen komischen Hirnströmen, die du immer dann hast, wenn du über etwas nachdenkst oder etwas lernst.

Was machst du da eigentlich? Was beschäftigt dich? Wäre doch viel besser, einfach nur zu chillen, ich denke ohnehin den ganzen Tag schon so viel nach. Das brauchst du dann nicht auch noch tun, das wäre ja doppelt gemoppelt. Aufwachen tust du für meinen Geschmack schon relativ oft und das mit dem Träumen, also das ist wohl auch ein bisschen dramaqueenmäßig oder nicht?

 

er. Also, wenn du es genau wissen willst, dann muss ich dir leider gleich zu Beginn sagen, dass ich es oft selbst nicht so genau weiß, was ich die ganze Nacht so treibe. Auf jeden Fall bin ich ein kleiner Sparefroh und schaue, dass du nicht zu viel Energie verbrauchst. Dir ist ja das alles wurscht und du lässt ja sogar das Licht nachtsüber brennen, aber einer muss sich darum kümmern und wenn ich dich am nächsten Tag anschaue wie du aussiehst, wenn du mich nicht machen lässt, dann bin ich schon sauer, aber dann denke ich mir wieder, dass du da wohl selber daran Schuld bist.Was gibt es denn so Wichtiges, dass du mich meine Arbeit nicht tun lässt? Weltfrieden oder was? Wer glaubst du eigentlich, wer bei dir zuhause in deinem Gehirn aufräumt – die gute Fee, Heinzelmännchen oder vielleicht BugsBunny?

Ganz schön großkotzig bist du manchmal und so sorglos, so rücksichtslos, so richtig gemein.

Du hast aber auch deine guten Seiten. So kaufst du mir ein neues Bett, lässt es auf Wasseradern untersuchen, schiebst es von der linken in die rechte Ecke und gibst schöne Decken und Pölsterchen drauf. Ich mag es auch gerne, wenn jemand zu Besuch kommt und du unser gemeinsames Zimmer schmückst und es angenehm duftet. Meistens sprichst du aber nicht gerne über mich, das macht mich dann traurig. Ich höre dich sogar schimpfen über mich, wenn du mit deinen Freunden redest, dass ich so unzuverlässig sei und dich zu wenig unterstütze, obwohl es dir oft gar nicht gut geht. Letzte Woche bist du sogar zu einer Ärztin gegangen und hast mir heimlich am Abend kleine Kügelchen in den Mund gelegt und gehofft, dass ich es nicht merke. Sie haben übrigens ganz gut geschmeckt, aber ich habe mich da schon riesig über dich geärgert, dass du so hinterlistig bist und ich muss zugeben, dass es Spaß gemacht hat, dir zuzusehen, wie du dich in dieser Nacht ständig hin und her gewälzt hast. Manchmal glaube ich, dass wir ein Problem miteinander haben. Vielleicht sollte wir in eine Paartherapie gehen, das könnte uns helfen wieder mehr aufeinander einzugehen und zu respektieren. Oft habe ich das Gefühl, als ob du mir nicht mehr so vertraust wie früher. Dabei bist du doch das Wichtigste für mich. Ich hoffe du weißt das.

 

ich. Klar weiß ich das, ich vermisse dich doch auch.Ich fühle mich in der letzten Zeit nur so alleine und ständig schießen mir so viele Gedanken durch den Kopf, die ich nicht stoppen kann. Ich vermisse es mit dir gemeinsam still zu sein und an nichts zu denken. Das ist schön und hat mit immer gut getan.

 

er. Wenn ich so darüber nachdenke, dann wird mir mehr und mehr bewusst, dass ich eigentlich ein ziemlich guter Nichtstuer bin und meine Unaufmerksamkeit für dich auch viele neue Dinge ermöglicht, aber ich weiß - nichts zu tun war für dich immer schon schwierig. Das sehe ich ja oft genug in deinen Träumen, wo du noch so viel weiter (ver)arbeitest. Übrigens, die komischen Hirnströme, die du siehst, wenn du mich mit meiner Erlaubnis in der Nacht betrachtest, sollen dir dabei helfen, dich an Dinge besser zu erinnern, Erlerntes zu festigen und zu stabilisieren, aber auch manches auszumisten, was du vielleicht nicht mehr so brauchst. Da kannst du dich auf mich verlassen, ich bin ja ein kleiner Zwängler wie du weißt und bei deiner Umtriebigkeit brauchst du immer wieder mal Platz für Neues, auf das ich mich immer wahnsinnig freue. Zusammen sind wir dann, wie ich finde, ein unschlagbares Team, jeder so mit seinen Fähigkeiten.

 

ich. Das stimmt und wenn ich mich manchmal am Morgen wie aufgeräumt fühle, dann hast du die ganze Nacht für uns gearbeitet? Das wusste ich nicht und ich dachte schon, dass du eine Geliebte hast, weil du so viel nicht da gewesen bist. Sorry, ich glaube wirklich, dass wir wieder mehr miteinander reden sollten. Jetzt geht es mir schon etwas besser.

Entschuldige auch wegen letztem Freitag, aber es war so ein lustiger Abend und ich wollte wieder mal etwas Zeit ohne dich verbringen, auch wenn es am Samstag dann ziemlich anstrengend für mich war. Ich habe gespürt, dass du dich mit mir mitgefreut hast. Was hast du am Freitag eigentlich gemacht?

 

er. Ich hab geschlafen. Kleines Scherzchen, aber vielleicht ist es ja auch ganz gut, wenn wir nicht alles voneinander wissen und wir unsere kleinen Geheimnisse haben.

Findest du, dass ich mich ändern sollte, dass ich zu altmodisch oder nicht am Puls der Zeit oder gar verschwendungsvoll bin? Gestern habe ich, ich gebe es zu, bitte nicht böse sein, auf deinem Handy ein paar Apps gesehen, wo du dir aufschreibst wie viele Schritte du am Tag machst, wie viele Kalorien du am Tag verbrauchst oder wie oft dein Herz am Tag schlägt. Führst du über mich auch Buch?

 

ich. Ehrlich gesagt habe ich schon öfter darüber nachgedacht, aber jetzt wo wir so miteinander reden bin ich heilfroh, dass ich es nicht getan habe. Die können einen schon ziemlich verrückt machen mit ihrer ständigen Optimierung und ihren Tipps und Tricks für das perfekte Leben. Dabei bist du ja schon perfekt, so wie du bist.

Danke dir, träum was Schönes, hab dich lieb.

 

er. Danke dir, ich dich auch, träum was Schönes.

 

ich. Was machen wir jetzt mit dem angebrochenen Abend?

 

er. Hmmm ...